Monat: Juni 2022
Nach Jahren der günstigen Kapitalbeschaffung mit horrenden Unternehmensbewertungen stehen Unternehmen und insbesondere Startups “Momente der Ungewissheit” bevor. So oder so ähnlich lauten zumindest die Urteile, die verschiedene Venture Capital Unternehmen und renommierte Inkubatoren über die aktuelle Marktlage getroffen haben. Die Formulierung “Momente der Ungewissheit” stammt aus der Feder der kalifornischen Beteiligungsgesellschaft Sequoia Capital und fiel während eines Zoom-Meetings Mitte Mai, mit den Entscheidern von knapp 250 Startups aus dem Portfolio des Unternehmens. Ein Manuskript der Präsentation ist öffentlich einsehbar, dieses möchten wir in diesem Blog etwas genauer unter die Lupe nehmen.
Das Unternehmen Sequoia Capital wurde 1972 gegründet und sitzt seitdem in Menlo Park, hier haben neben dem Facebook-Mutterkonzern Meta auch Firmen wie der Google-Mutterkonzern Alphabet ihre Hauptquartiere aufgeschlagen. Sequoia Capital tritt hauptsächlich als Kapitalgeber für Startups im Techbereich auf. Neben den oben genannten Unternehmen war Sequoia unter anderem früh an YouTube, Apple, WhatsApp, PayPal, Instagram, LinkedIn, Oracle und Zoom beteiligt.
Sequoia Report: In der Krise lieber vorsichtig als nachsichtig
Meetings zwischen Sequoia und all ihren Portfoliounternehmen, wie Mitte Mai, finden jährlich statt. Dabei ist Sequoia bekannt dafür, in ihren Prognosen nicht mit Worst Case Szenarien zu geizen. 2020 schätzten die Experten die Regression an den Finanzmärkten, die durch den Ausbruch der Corona-Pandemie entstand, als deutlich langwieriger ein. 2008 hätte der Titel des Meetings im Angesicht der Finanzkrise mit “R.I.P. Good Times” wohl kaum dramatischer gewählt werden können.
Als Resümee des diesjährigen Treffens steht vor allem die aktuell kostspielige Beschaffung von frischem Kapital. Gründe hierfür liegen laut dem Report vor allem an der angespannten geopolitische Lage, der weltweit ausufernden Inflation und die dadurch hervorgerufenen fiskalpolitischen Reaktionen der Zentralbanken. Auch die Lage an den Finanzmärkten leistet seinen Beitrag. Seit November 2021 liegt der Nasdaq mit knapp 30 % im Minus, was den drittgrößte Abfall der Geschichte markiert. Von einer V-förmigen Erholung, wie es sie nach der Corona-Pandemie gab, ist daher nicht auszugehen.
Sequoia rät, aufgrund der unvorhersehbaren Zukunft seinen Startups “mit dem Schlimmsten zu rechnen”. Somit sei man am besten aufgestellt, um jegliche Herausforderung erfolgreich meistern zu können. Ähnliche Befürchtungen äußerten in den letzten Wochen neben dem weltbekannten Accelerator Y Combinator auch Investmentunternehmen wie Tiger Global und D1 Capital.
Unternehmensreaktionen auf die aktuelle Krise
Sequoia selbst stellt seine Investmentstrategie derweil um. Wo bisher das Wachstum des Portfolios an oberster Stelle stand, ist nun Profitabilität das A und O. Auch bei den führenden Tech-Startups hält langsam die Prämisse “Profit first” Einzug. Das indische Unicorn “Ola” gab bereits die Streichung von knapp 2.100 Stellen bekannt. Auch bei europäischen Scaleups, wie Klarna, Gorillas oder dem türkischen Lieferdienst Getir, sind bereits Entlassungswellen gestartet.
Auf der anderen Seite haben die deutschen Unicorns Personio und auch Trade Republic in Q2 2022 noch frisches Kapital auf einer höheren Bewertung im Vergleich zur vorangegangenen Finanzierungsrunde eingesammelt. Die genauen Konditionen der neuen Runde sind allerdings nicht bekannt. Durch eine erhöhte Liquidationspräferenz oder Mindestverzinsung können Down Rounds oftmals vermieden werden.
Kapitalbeschaffung wird nicht einfacher
Ob die Worst Case Szenarien sich nun bewahrheiten oder nicht, das Klima der Kapitalbeschaffung für Tech-Firmen im Growth-Bereich wird definitiv rauer und auch das Börsenfenster für Exits wird sich wahrscheinlich nicht allzu schnell wieder öffnen. Eine ausreichende Kapitalausstattung mit langer Runway oder sogar Profitabilität wird aktuell nicht nur an den Kapitalmärkten, sondern auch an den Private Markets, klar präferiert.